Bogota ist wie Hamburch im Sommer. Frisch und wechselhaft.
Doch der Reihe nach...
Bei aufgehender Sonne duftet unsere selbst organisierte open air Strandburg an der Atlantikwestkueste nach Kaffee. Eine wilde Nacht ist ueberstanden und schon bald sind saemtliche Schnuere und Pfosten mit Kleidung und Schlafsaecken behangen. Ein Regen wie kein zweiter hatte uns die Nachstunden ueber unterhalten.
Mit Menschen von allen Ecken der Erde kauerten wir uns unter ein kleines, zerloechertes Wellblechdach, bis die leuchtenden Morgenstunden endlich Erloesung brachten.
Etwas spaeter machen wir eine Theatereinheit am Strand. Die glotzenden Fischer, der rauhe Wind und die rauschenden Wellen machen aus dem Strand nicht gerade einen Theaterstudio. Aber wir haben's ja nicht anders gewollt. Alle sind motiviert und die Uebungen machen Spass. Fuer meine mitgereiste Studien-Aufgabe des Regietrimesters, bekomme ich heute einen guten Ueberblick ueber die Spielfreuden der vier Komilitoninnen. Wir ueben mit Fixpunkten, proben Ruhe fuer das Spiel und spielen wie Groszstadtkinder beim ersten Strandbesuch. Die Fischer enttueddeln ein Netz und betrachten hin und wieder unsere Uebungen oder die Damenpopos. Hinter uns und um uns herum, Touris, Hippies und Chiller des Strandalltags. Unser Arbeitsboden ist tiefer, formbarer Sand, der trotz bluehender Fantasie an Strand erinnert. Die tosende Geraeuschkulisse und die Mittagssonne, die Augen zu Schlitzen macht, uebertoent leicht das Theaterspiel oder lenkt ab. Doch der Platz bietet auch Vorteile: am Karibikstrand der Wunscharbeit nachgehen. Hallo! Die Spielerinnen benutzen automatisch ihre Stimme und insgesamt ist der Platz nicht so intim wie ein Probenraum. Dadurch, dass Feinheiten nicht so heraustreten, wird mehr gewagt. Die grosze, weite Kulisse kann Freiheit geben. Nebenan machen Nackte Yoga, andere Kaempfen mit den Wellen - alles ist erlaubt. Ein Innenraum ist vorbelasteter. Z.B. kann die Erforschung der eigenen Stimme dort viel mehr Ueberwindung kosten, als hier draussen. Fuer sensibles Spiel braucht es aber einen anderen, ruhigeren Raum.
Eine 25-stuendige Busfahrt bringt uns nach Bogota. Der Trombose und der Klimaanlagenunterkuehlung gerade nochmal entkommen, landen wir im Hostel bei einem Freund. Eine kleine Viertelfuehrung mit veganen Snacks bringt Bewegung in die plattgesessenen Po's.
Die Maskenfigur Bodo entwickelt sich heute weiter. Endlich ist Bodo einfach mal inhaltslos in einer Groszstadt unterwegs. Er nimmt ein Abendessen bei den Hare Krishnas ein und findet Freunde, bei denen er etwas auftaut. Jetzt hat Bodo mal Lust zu feiern.
Abends landen wir in einen karg, nein, gar nicht eingerichteten Wohnzimmer, wo wir mit ein paar neuen Kumpels einen wilden Tanzaustausch beginnen. Die umfangreiche Salsa- Raggaton- und Dancehallauswahl Youtubes zwingt uns zu wilden Tanzeinlagen, hohem Wasserverlust und groszem Spass. An dieser Stelle sei nochmal erwaehnt, dass einfach alle hier tanzen koennen. Und zwar vernichtend besser, als jeder Dance-circle Proll in deutschen Diskos.
Nach einer Nacht steht endlich das lang ersehnte Treffen mit unserem Theterprojekt (danke Myra!) an. Zwei Aktivist_innen von dem Theaterkollektiv Luz de Luna besuchen uns zum gemeinsamen Essen in unserem Hostel. Die Stimmung ist gut, ein Geburtstag ist nur noch wenige Stunden entfernt und ich habe mich von der gerade erlebten Polizeischikane erholt.
Da sasz ich mit den letzten Sonnenstrahlen auf einem oeffentlichen Platz und genoss das bunte artistische Treiben im Studentenviertel. Prompt kommt ein dicker Polizist und stellt mich an die Wand. Auf die Frage "Warum?" beginnt eine "Routinedurchsuchung". Jedes Stueckchen Papier wird entfaltet, ein Blick in die Unterhose, Haende an die Wand und ja meine Fischerman's sind nur Bonbons. Die erfolglose Drogensuche endet in einer langen Diskussion. Inzwischen drei Cops wollen mein Schnitzmesser beschlagnahmen. Das will ich im Land der Macheten nicht einsehen und schaffe es nach langem Blabla mit all meinen Sachen nach hause.
Umso erfreulicher das Treffen mit unseren Freunden von Luz de Luna. Am Montag beginnt unser gemeinsames Projekt. Austausch, Stelzen, Maskenbau, Straszentheater, Vorfreude. Was die beiden ueber die hier ansaessige Theaterarbeit berichten laesst mein Herz hoeher schlagen. Auf Spenglisch diskutieren wir ueber soziale Konzepte, Straszenperformance und das Projekt Luz de Luna. Ploetlich treffen die Rabauken vom Vortag ein. Die Musik wird lauter, der Rum leerer, die Tanzflaeche (der kl. Innenhof des Hostels) immer voller. Eine von uns wird 24, die alte schachtel, und zerkloppt zur Feier der Stunde mit verbundenen Augen eine mit Leckereien gefuellte Pappfigur. Die Bogotarianer_innen tanzen uns wieder schwindelig, wobei wir meinen, bei der kommerziel elektronischen Stampfmusik, heute auch mal gepunktet zu haben. Morgen frueh werden wir die Raeumlichkeiten unserer Theterfreunde kennen lernen und uns gen Straszentheater bewegen...
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